Ino Sigaze,O.Carm
Predigt am Fest der Heiligen Familie | B |Gen 15, 1-6; 21, 1-3; Hebr 11, 8.11-12.17-19; Lk 2, 22-40
1. Am Fest der Heiligen Familie werden uns in den heutigen Schrifttexten zwei große Familien aus der Geschichte unseres Glaubens gezeigt. Ich nenne die beiden Familien: Alte Bundesfamilie und neue Bundesfamilie. Die alte Bundesfamilie wurde von Abraham, Sarah und Isaak vertreten, während zur neuen Bundesfamilie Joseph, Maria und Jesus gehören. Bei diesen beiden Familien gibt es zwei Personen, die nicht miteinander verwandt sind, nämlich Mose und Simeon. Beide sind Propheten. Obwohl in der ersten Lesung, die von der Alten Bundesfamilie erzählt, der Name Mose nicht direkt erwähnt wird, wissen wir, dass Mose ein alttestamentlicher Prophet war, während Simeon als neutestamentlicher Prophet eingestuft werden kann, der während der Zeit der neutestamentlichen Familie lebte. Ich möchte herausfinden, was es nun eigentlich mit diesen beiden Familien auf sich hat. Warum waren auch Mose und Simeon im Leben dieser beiden Familien präsent?
2. Um das zu verstehen, bediene ich mir Begriffe aus der Kommunikationswissenschaft. Erstens nenne ich die Kommunikations- und Dialoginitiative: Es ist klar, dass im Kontext der Alten wie auch der Neuen Bundesfamilie die Initiative von Gott bzw. vom Wort Gottes ausgeht. Gottes Worte kamen in einer Vision zu Abram und zu Joseph. Zweitens möchte ich auf die Form der Zustellung von Direktbotschaften hinweisen nämlich als Imperativ: „fürchte dich nicht“ (Gen 15,1; Mt 1,20), únd als Gottes Selbstdarstellung, die Abram beruhigte: Ich bin dein Schild. Und die auch Joseph beruhigte. Denn es heißt: „das Kind, das sie (nämlich Maria) erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Und schließlich gibt es als Form die Verheißungen Gottes. Da gibt es die Verheißung für Abram: Dein lieblicher Sohn wird dein Erbe sein (Gen 15,4) und da gibt es die Verheißung für Joseph: Er (nämlich, das Kind, das geboren wird) wird sein Volk von seinen Sünden erlösen (Mt 1,21). Drittens möchte ich auf die verwandelnde Kraft des Glaubens hinweisen. Abram fragte: O Herr, was wirst du mir geben? Gott sagt: „Schau einfach in den Himmel“. Abram glaubte dann. Gott hat seine Verheißung erfüllt. Und als die Verheißung erfüllt war, verwandelte sich Abram in Abraham.
3. Ebenso sahen die Weisen aus dem Osten nach der Geburt Jesu in Bethlehem seinen Stern im Osten und kamen, um ihn anzubeten. Diese Geschichte ist nichts anderes als eine Darstellung des Glaubens. (Mt 2,2). In der zweiten Lesung sieht es nach einer zusätzlichen Erklärung der alten Bundesfamilie aus, indem der starke und tiefe Glaube Abrahams herausgestellt wird. Denn seien wir mal ehrlich: Wagen Sie es, den eigenen Sohn zu opfern, wie Abraham bereit war, seinen Sohn Isaak zu opfern. Kurz gesagt, ein viertes Element, das hier hinzugefügt werden kann, ist der Mut, Gott zu gehorchen.
4. Ebenso finden sich die vier Aspekte, die in der alten Bundesfamilie zu sehen sind, auch in der Geschichte von Joseph Maria und Jesus, aber im heutigen Evangelium liegt der Schwerpunkt mehr auf der Rolle von Joseph und Maria, Jesus nach Jerusalem zu bringen, um sich Gott zu unterwerfen. Für das heutige Evangelium ist die Geschichte der Reinigung nach dem Gesetz des Mose wichtig. Dann kehrten Joseph, Maria und Jesus nach Nazareth in Galiläa zurück. Lukas fügt eine Beschreibung von Jesus inmitten seiner Familie hinzu: Er wurde größer, wurde stark, war voller Weisheit und die Gnade Gottes war auf ihm.
5. Es ist interessant, über diesen Aspekt nachzudenken, da es sehr deutliche Unterschiede gibt. Isaak wurde von Abraham an einen Ort gebracht, um geopfert zu werden, ohne dass Sarah miteinbezogen wurde. Jesus aber wurde von Joseph und Maria nach Jerusalem gebracht. Wenn wir nur oberflächlich hinschauen, werden wir uns bei diesen beiden Geschichten seltsam fühlen. Wenn wir sie jedoch vom Standpunkt der Initiative Gottes aus betrachten, sehen wir, dass es eine Kontinuität in Gottes Werk nicht nur bei Abraham, sondern auch bei Maria gibt. Es geht also nicht so sehr um die Rollen von Männern und Frauen, die hier wichtig sind, sondern vielmehr darum, wer Gott gefällt und wer eine Vision von Gott direkt in einer speziellen Mitteilung erhält.
6. Abgesehen von dem Aspekt der Kontinuität des Wirkens Gottes in Abraham und Joseph und Maria, ist ein weiteres Element wichtig, und zwar die grundlegende Haltung und das Ziel ihres Handelns. Die Grundeinstellung Abrahams, durch die er bereit war, seinen Sohn Isaak zu opfern, beruhte auf seinem Glauben. Auch ist das Ziel von Maria und Joseph, wenn sie Jesus nach Jerusalem bringen, nichts anderes als Jesus Gott zu übergeben. Auch ist bemerkenswert, dass sowohl Isaak als auch Jesus nach Jerusalem gebracht wurden. Die Frage ist: Warum ausgerechnet Jerusalem und keine andere Stadt?
7. Jerusalem wurde schließlich zum Zentrum der Reflexion, die die alten und neuen Bündnisse miteinander verband. Jerusalem ist der Ort der historischen Begegnung zwischen Abraham, den Gläubigen, Joseph, und Maria, die sich dem Willen Gottes ergeben haben. Jerusalem ist der Ort, von wo aus Gott damals gewirkt hat und von wo aus Gott jetzt in Jesus Christus rettet. Jerusalem ist der Ort für die Kontinuität des Gesetzes und die Reinigung des einzigen Sohnes. Jerusalem ist ein Symbol für die Kontinuität der Geschichte, die Gott aufgrund seiner Liebe zu den Menschen weiter erneuert. Jerusalem ist der Ort der Erfüllung der Verheißungen Gottes nicht nur damals, sondern auch jetzt. Jerusalem ist der Ort der Verkörperung der Liebe Gottes zu allen Menschen und in allen Zeiten. Somit ist Jerusalem nicht nur ein Ort, sondern auch ein Symbol für Liebe und Vertrau-en. Jerusalem kann durchaus ein Symbol für Offenheit gegen-über anderen sein, für Offenheit gegenüber neuen, alltäglichen Anfängen des Lebens. Wo ist eigentlich heute in diesem Sinne Jerusalem?
8. Dazu möchte ich folgende Begebenheit erzählen. Am Hauptbahnhof Frankfurt war ich am Freitag, den 4. Januar 2019. Eine Mutter steht da mit ihrem Kind. Zuerst kommunizierten die beiden nicht miteinander. Dies lag wohl daran, dass die Mutter auf ihr Handy schaute, und ihr Sohn damit beschäftigt war, game vom Handy zu spielen. Ihr Sohn warf das Handy herauf und packte es wieder auf. Er tat dies mehrmals, bis er es wieder fest in seiner Hand hatte. Zu dieser Zeit schaute ich weiterhin, wie das Kind und die Mutter sich verhielten. Die Mutter sieht nur ihren Sohn an, der mit dem Handy spielt, ohne ein Wort zu sagen. Plötzlich fiel sein Handy auf den Boden. Die beiden sahen sich dann an und schwiegen. Dann sagte seine Mutter ihm, das Handy an sich zu nehmen, aber mit leicht gereizter Stimme. Der Sohn sah noch einmal seine Mutter an. Die Mutter trat einen Schritt vor, um das Handy vom Boden zu holen. Gleichzeitig war ihr Sohn jedoch viel schneller in der Lage, das Handy zu packen und es seiner Mutter zu geben. Wieder sah die Mutter ihren Sohn an, während sie sich weiterhin mit ihrem Handy beschäftigte. Es dauerte nicht lange, bis der Sohn weinte und seine Mutter umarmte. Dann umarmt ihn die Mutter und küsst ihn liebevoll. Dann stiegen sie in den Zug, in den ich auch einstieg auf dem Weg nach Mainz. Sie saßen neben meinem Platz. Ich schaute weiterhin in ihre Richtung, während ich diese Geschichte auf mein Handy schrieb. Die Mutter gab ihrem Kind das Handy zurück. Trotzdem blieben sie gelegentlich in Kontakt. Der Sohn zeigt ihr gelegentlich, was er tut und die Mutter hilft ihm. Ich weiß nicht, was er getan hat, ich sehe es nicht.
9. Die Art und Weise, wie diese beiden Menschen sich und mir begegnet sind inmitten der Hektik der Stadt Frankfurt, ist für mich ein echtes Jerusalem, in diesem Moment, konkret im Alltag, ganz real. Ein Moment der Begegnung, zunächst ohne Kommunikation, die Kommunikation bricht zusammen, aber es gibt auch Initiativen, um die Kommunikation wieder aufzubauen. Es gibt Schreie und Bedauern, und es gibt Vergebung und liebevolle Umarmungen. Es kehrt auch Vertrauen zurück, unabhängig davon, wie falsch das Verhalten in der Vergangenheit war. Dies ist ein Jerusalem, das in unserer Gemeinde, bei der Arbeit und in unseren Familien erlebt werden kann.
10. Dreißig Jahre hat Jesus dieses tägliche Leben in der Jerusalemer Atmosphäre der Liebe, Vergebung und Einfachheit mit Joseph und Maria erlebt und gelernt. Können wir diese Jerusalemer Atmosphäre auch in unseren Familien und Gemeinden aufbauen? Abraham, Sarah und Isaak präsentieren den Glauben als Grundlage der Familie. Joseph, Maria und Jesus zeigen das Ziel der Familie, sich Gott zu ergeben. Und Jerusalem ist die Atmosphäre der Liebe aus der Begegnung von Gott und Mensch, dem alten Bund und dem neuen Bund, der ständig erneuert wird, durch die Dunkelheit des Glaubens und den Schatten des Kreuzes, das im Leben und in der Auferstehung Christi gipfelt. Durch und in Christus werden Gottes Verheißungen vollkommen erfüllt.